Geschlossen zu Paris, am 14. / 26. September 1815
Im Namen der heiligen und unteilbaren Dreieinigkeit.
Ihre Maj. der Kaiser von Österreich, der König von Preußen und der Kaiser von Rußland haben infolge der großen Ereignisse der letzten Jahre und insbesondere der Wohlthaten, welche die göttliche Vorsehung den STaaten erwiesen hat, die ihr Vertrauen und ihre Hoffnung allein auf sie setzten, die innige Überzeugung von der Notwendigkeit gewonnen ihre gegenseitigen Beziehungen auf die erhabenen Wahrheiten zu gründen, welche uns die Religion des göttlichen Heilands lehrt. Sie erklären feierlich, daß der gegenwärtige Akt nur den Zweck hat, im Angesicht der ganzen Welt ihren unerschütterlichen Entschluß zu bekunden zu Richtschnur ihres Verhaltens im Innern ihrer Staaten wie nach außen nur die Vorschriften dieser heiligen Religion, die Vorschriften der Gerechtigkeit, Liebe und Friedseligkeit zu nehmen, welche weit entfernt nur für das Privatleben bestimmt zu sein, im Gegenteil besonders die Entschlüsse der Fürsten beeinflussen und alle ihre Pläne bewahren müssen, nur ein Mittel zu sein zur Befestigung der menschlichen Einrichtung und zur Heilung ihrer Unvollkommenheiten.
Infolgedessen haben Ihre Majestäten sich über folgende Artikel geeinigt:
Artikel. I. In Gemäßheit der Worte der Heiligen Schrift, welche allen Menschen befiehlt, sich als Brüder zu betrachten, werden die drei Monarchen vereinigt bleiben durch die Bande eienr wahren und unauflöslichen Brüderlichkeit, sich als Landsleute ansehen, und sich bei jeder Gelegenheit Hilfe und Beistand leisten; sie werden sich ihrer Unterthanen und Armeen gegenüber als Familienväter betrachten und dieselben im Geiste der Brüderlichkeit lenken, um Religion, Frieden und Gerechtigkeit zu schützen.
Artikel II. Infolgedessen soll als der einzige Grundsatz, sei es zwischen den genannten Regierungen, sei es zwischen ihren Unterthanen, gelten, sich gegenseitige Dienste zu erweisen, durch ein unveränderliches Wohlwollen die Zuneigung zu bezeugen, zu der sie sich verpflichtet haben, sich nur als Glieder der einen christlichen Nation zu betrachten. Die drei verbündeten Fürsten sehen sich nur an als die Bevollmächtigten der Vorsehung um drei Zweige einer und derselben Familie zu regieren: Österreich, Preußen und Rußland, damit bekennend, daß die christliche Nation, zu der sie und ihre Völker gehören, in Wahrheit keinen andern Souverän hat als den, dem allein die Macht gehört, weil in ihm allein alle Schätze der Liebe, der Erkenntnis und der unbegrenzten Weisheit liegen, d. h. Gott, unfern göttlichen Erlöser Jesus Christus, das Wort des Höchsten, das Wort des Lebens. Ihre Majestäten empfehlen daher ihren Völkern mit der pünktlichen Sorgfalt als das einzige Mittel dieses Friedens teilhaftig zu werden, welcher aus dem guten Gewissen entspringt und allein von DAuer ist, sich täglich mehr zu befestigen in den Grundsätzen und der Erfüllung der Pflichten, welche der göttliche Heiland die Menschen gelehrt hat.
Artikel III. Alle Mächte, welche sich feierlich zu diesen heiligen Grundsätzen bekennen wollen und erkennen, von welchem Einfluß es auf das Glück der so lange beunruhigten Nationen ist, daß diese Wahrheiten fortan ihren ganzen gebührenden Einfluß auf die menschlichen Geschicke ausüben, werden mit großer Freude in diese Heilige Allianz aufgenommen werden.
Paris, im Jahre der Gnade 1815, den 14. / 26. September.
Franz - Friedrich Wilhelm
- Alexander
Dem christlichen Bündnisvertrag von 1815 traten alle europäischen Staaten bis auf Großbritannien (wegen dessen Abstraktheit ohne realen Verpflichtungen), der Türkei (wegen dessen christlicher Ausrichtung) und der Kirchenstaat (wegen der Überkonfessionalität) bei.
Mit dem Zweiten Pariser Frieden vom 20. November 1815 vereinbarten die vier Hauptmächte Rußland, Großbritannien, Österreich und Preußen als "Quadrupelallianz" regelmäßige Zusammenkünfte, die durch die Aufnahme Frankreichs, gegen das sich das Bündnis anfangs richtete, am 15. November 1818 (während des Aachener Kongresses) zur Pentarchie erweitert wurde..
Nach einer ersten Ruhephase ab 1826 (Differenzen im Freiheitskampf Griechenlands und Belgiens) wurde die Allianz im Jahr 1833 erneuert. In den Revolutionsjahren 1848/49 konnte nur durch die Hilfe Rußlands der Zerfall Österreichs verhindert werden, doch eben diese beiden Mächte waren es auch, die durch den Krimkrieg des Jahres 1855 die Heilige Allianz formal beendeten.
Die Allianz wirkte jedoch bis zum Ersten Weltkrieg als solidarisierendes Element zwischen den regierenden Fürstenhäusern fort.