Additioneller Tractat zwischen den Höfen von Wien, St. Petersburg und Berlin, wegen Erklärung der Stadt Krakau mit ihrem Gebiethe zu einer freyen Stadt, und Festsetzung ihrer Constitution.

Geschlossen zu Wien am 3. May 1815

EIm Nahmen der allerheiligsten und untheilbaren Dreyeinigkeit.

Seine Majestät der Kaiser von Österreich, Seine Majestät aller Reußen, und Seine Majestät der König von Preußen, haben in der Absicht, den die Neutralität, Freyheit und Unabhängigkeit der Stadt Krakau, und des dazu gehörigen Gebiethes betreffenden Artikel Ihrer gegenseitigen Tractate in Ausführung zu bringen, zur Erfüllung dieser Ihrer wohlwollenden Absichten ernannt, und zwar

Seine Majestät der Kaiser von Österreich,
    den Herrn Clemens Wenzel Lothar, Fürsten von Metternich-Winneburg-Ochsenhausen, Ritter des goldenen Vließes, Großkreuz des königl. Ungarischen St. Stephan-Ordens, Ritter des Russischen Orden von St. Andreas, St. Alexander-Newsky und St. Annen-Ordens erster Classe, Großadler der Ehrenlegion, Ritter des Elephanten-Ordens, des hohen Ordens der Annunziata, des schwarzen und rothen Adlers-Ordens; des Seraphinen-, des Toscanischen St. Joseph-, des St. Hubert-, des Würtembergischen goldenen Adler-, des Badenschen Ordens der Treue, des Johanniter-, und mehrerer anderen Orden; Kanzler des militärischen Marien-Theresien-Ordens, Curator der Academie der schönen Künste, St. Majestät des Kaisers von Österreich wirklichen Kämmerer, geheimen Rath, Staats- und Conferenz- und Minister der auswärtigen Geschäfte, dann Bevollmächtigten am Congresse.

Seine Majestät der Kaiser aller Reußen,
    den Herrn Andreas Grafen von Rasoumoffsky, Ihren wirklichen geheimen Rath, Ritter des heiligen Andreas- und Alexander-Newsky-Ordens, Großkreuz des Ordens vom heil. Wladimir erster Classe, und Ihren ersten Bevollmächtigten am Congresse.

Und Seine Majestät der König von Preußen,
    den Herrn Fürsten von Hardenberg, Ihren Staatskanzler, Ritter des großen schwarzen und rothen Adler-, des Johanniter- und des Preußischen Ordens vom eisernen Kreuz, des Russischen St. Andreas-, St. Alecander-Newsky- und St. Annen-Ordens erster Classe, Großkreuz des königl. Ungarischen St. Stephan- orden, Großadler der Ehrenlegion, Großkreuz des Spanischen St. Carl-, des hohen Sardinischen Ordens der Annunciata, Ritter des Schwedischen Seraphinen-, des Dänischen Elephanten, des Württembergischen goldenen Adler- und mehrerer anderer Orden, ersten Bevollmächtigten gedacht Seiner Majestät am Congresse zu Wien.

Welche nach Auswechslung ihrer, in guter und gehöriger Form befundenen Vollmachten nachstehende Artikel abgeschlossen, unterzeichnet und festgesetzt haben:

I. Artikel Die Stadt Krakau mit ihrem Gebiethe soll auf immerwährende Zeiten als eine freye, unabhängige, und streng neutrale, unter dem Schutze der drey hohen contrahirenden Mächte stehende Stadt angesehen werden.

II. Artikel Das Gebieth der freyen Stadt Krakau soll auf dem linken Ufer der Weichsel durch eine Linie begränzt seyn, welche bey dem Dorfe Wolica, an der Mündung eines nahe an diesem Dorfe vorüber laufenden und sich in die Weichsel ergießenden Baches anfängt, und an diesem Bache durch Clo, Koscielniki bis Czulice dergestelt hinaufläuft, daß diese Dorfschaften zu dem Gebiethe der freyen Stadt Krakau gehören. Von da wird diese Linie an den Gränzen der Dorfschaften, durch Dziekanowice, Garlice, Tomaszow, Karnjowice, welche Orte gleichfalls zu dem Gebiethe von Krakau gehören, bis zu dem Puncte fortlaufen, wo die den District von Krzeszowice von jenem von Olkusz scheidende Gränze beginnt. Von da wird solche längs dieser Gränzscheide zwischen den beyden benannten Districten fortlaufen, und an der Gränze von Preußisch-Schlesien endigen.

III. Artikel Se. Majestät der Kaiser von Österreich, geneigt Ihrer Seits alles zu befördern, wodurch die gegenseitigen Handelsverhältnisse, und das gute nachbarliche Vernehmen zwischen Galizien und der freyen Stadt Krakau erleichtert werden kann, ertheilen Ihrer dießseits des Flusses gelegenen Stadt Podgorze auf immerwährende Zeiten die nähmlichen Privilegien einer freyen Handelsstadt, deren die Österreichische Gränzstadt Brody genießt. Diese Handelsfreyheit soll sich auf einen Umkreis von fünfhundert Klaftern, von den Schranken der Podgorzer Vorstädte an gerechnet, erstrecken. In Folge dieser immerwährenden Begünstigung, wodurch jedoch auf keinen Fall die Souverainitäts-Rechte Seiner kaiserl. königl. Apostol. Majestät beeinträchtiget werden dürfen, sollen die Österreichischen Mauthämter außerhalb des bezeichneten Umkreises errichtet werden, und kein Militär-Etablissement bestehen, wodurch die Neutralität von Krakau bedroht, oder die Handelsfreyheit, welche Se. kaiserl. königl. Apostol. Majestät Ihre Stadt und den Umkreis von Podgorze genießen lassen wollen, beschränkt werden könnte.

IV. Artikel Als eine Folge dieser Begünstigung haben Seine kaiserl. königl. Apostol. Majestät beschlossen, der Stadt Krakau gleichfalls zu gestatten, ihre Brücken an eben jene Stellen des rechten Weichselufers anzulehnen, an welchen sie jederzeit ihre Verbindung mit Podgorze unterhalten hat, ingleichen daselbst ihre Fahrzeuge zu befestigen. Die Unterhaltung des Ufers an jenen Stellen, wo ihre Brücken angelegt oder befestiget sind, soll der Stadt Krakau zur Last fallen. Auf gleiche Weise soll sie zu dem Unterhalte der Brücken, so wie der Boote oder Überfuhrsplätten für jene Jahreszeit verpflichtet seyn, wo die Brücken nicht stehen bleiben können. Für den Fall, daß in dieser Beziehung irgend eine Unterlassung, Fahrlässigkeit oder ein übler Wille eintreten sollte, werden die drey contrahirenden Höfe sich nach gehörig untersuchter Sache über eine auf Kosten der Stadt einzuleitende Verwaltung vereinigen, wodurch ähnlichem Mißbrauche für die Zukunft vorgebeugt werden möge.

V. Artikel Gleich nach erfolgter Unterzeichnung des gegenwärtigen Vertrages wird eine gemischte Commission, welche aus einer gleichen Anzahl von Commissären und Ingenieuren zu bestehen hat, bestimmt werden, um die Demarcationslinie an Ort und Stelle zu ziehen, die Gränzpfähle aufzustellen, die Winkel und Erhöhungen zu bezeichnen, und eine Karte mit Beschreibung der Örtlichkeiten zu dem Ende aufzunehmen, damit für die Folge auf keinen Fall hieraus Anstände oder Zweifel entstehen können. Die Pfähle, durch welche das Gebieth von Krakau bezeichnet wird, sollen nummerirt, und mit dem Wapen der angränzenden Mächte, dann jenem der Freysteadt Krakau versehen werden. Da der Thalweg der Weichsel die gränze zwischen dem Österreichischen Gebiethe und jenem der Stadt Krakau bildet, so werden die Österreichischen Gränzpfähle auf dem rechten Ufer dieses Flusses errichtet. Der Umkreis des für den Handel frey erklärten Gebiethes von Podgorze, soll durch besondere, mit dem Österreichischen Wapen und der Aufschrift: Freyer Rayon für den Handel, Wolny okrag dla handlu, versehene Pfähle bezeichnet werden.

VI. Artikel Die drey Höfe machen sich verbindlich, zu jeder Zeit die Neutralität der freyen Stadt Krakau und ihres Gebiethes aufrecht zu halten und in Schutz zu nehmen. Keine bewaffnete Macht soll jemahls unter was immer für einem Vorwande diese Stadt oder ihr Gebieth betreten.

Dagegen versteht es sich auch von selbst, und wird ausdrücklich bedungen, daß in der freyen Stadt Krakau und auf ihrem Gebiethe, Flüchtlingen, Ausreißern, oder von einer Gerichtsbehörde in Anspruch genommenen Individuen aus einem den drey contrahirenden Mächten gehörigen Lande weder Aufenthalt noch Schutz zugestanden werden darf, und dergleichen Individuen auf das von den competenten Autoritäten gestellte Ansuchen verhaftet, und unverzüglich unter guter Bedeckung an diejenige Wache ausgeliefert werden sollen, welche beauftragt seyn wird, solche an der Gränze zu übernehmen.

VII. Artikel Nachdem die drey Höfe die für die freye Stadt Krakau und ihr Gebieth bestimmte Constitution, welche sich als ein integrirender Theil den gegenwärtigen Artikeln beygefügt findet, genehmiget haben, nehmen. Dieselben diese Constitution unter ihren gemeinschaftlichen Schutz. Sie verbinden sich über dieß, jeder einen Commissär nach Krakau abzusenden, welcher gemeinschaftlich mit einer zeitlich dort aufgestellten, vorzugsweise aus öffentlichen Beamten, oder aus Männern von unbescholtenem Rufe zu bildenden Commisson arbeiten wird. Jede der drey Mächte wird zu diesem Behufe einen Candidaten aus einer der drey Classen, nähmlich aus dem Adel, der Geistlichkeit, oder dem dritten Stande wählen. Der Vorsitz bey dieser Commission wird wochenweise abwechselnd durch einen der Commissäre der drey Höfe geführt werden. Das Los wird über den ersten Vorsitz entscheiden, und der ihn führende Präsident alle mit dieser Eigenschaft verknüpften Rechte und Vorzüge genießen. Diese Commission wird sich mit der nähern Auseinandersetzung der in Frage stehenden constitutionellen Grundsätze und deren Anwendung beschäftigen. Sie wird auf gleiche Weise die öffentlichen Beamten ernennen, mit Ausnahme derjenigen, welche von den hohen contrahirenden Theilen, die sich für diese Mahl die Wahl einiger bekannter Personen vorbehalten haben, für den Senat ernannt worden sind. Sie wird auch die neue Verfassung der freyen Stadt Krakau und ihres Gebiethes in Wirksamkeit setzen. Sie wird endlich beflissen und befugt seyn, sich eine vollkommene Kenntniß der gegenwärtigen Administration zu verschaffen, und bis zu dem Augenblicke, wo der provisorische Zustand aufhören wird, in derselben jene Veränderungen vorzunehmen, welche das gemeine Beste erheischen dürfte.

VIII. Artikel Die Verfassung der freyen Stadt Krakau und ihres Gebiethes gewährt derselben nicht das Recht, Mauthämter zu errichten, oder Zölle zu fordern; sie gestattet ihr jedoch die Abnahme von Schranken- und Brückenzöllen.

IX. Artikel Um die erforderliche Gleichförmigkeit in Ansehung der von der freyen Stadt Krakau im gerechten Verhältnisse mit ihren Lasten einzuführenden Brückzölle und Weggebühren zu erzielen, ist beschlossen worden, einen bleibenden und gemeinschaftlichen Tariff durch die im VII. Artikel angeführte Commission entwerfen zu lassen; dieser Tariff kann jedoch nur auf Frachten, Last-, Zug- oder anderes Vieh, keineswegs aber auf Personen angewendet werden, mit Ausnahme derjenigen Epochen, wo der Fluß mit Kähnen passirt werden muß. Die Zollhäuser der freyen Stadt Krakau werden auf dem linken Ufer der Weichsel errichtet.

Eben dieselbe Commisson wird sich auch mit der Bestimmung der auf den Münzfuß Bezug habenden Grundsätze beschäftigen.

X. Artikel Alle Rechte, Verbindlichkeiten, Vortheile und Vorzüge, über welche die drey contrahirenden Mächte in Ansehung der gemischten Besitzer, der Amnestie, der Freyheit des Handels und der Schiffahrt in den unter heutigem Datum abgeschlossenen Tractaten übereingekommen sind, haben auch ihre Anwendung auf die freye Stadt Krakau und deren Gebieth.

Um über dieß die Approvisionirung der Stadt und des Gebieths von Krakau zu erleichtern, sind die frey hohen Höfe übereingekommen, der freyen Ausfuhr dahin von Brennholz, Kohlen, und den zu den ersten Nahrungsbedürfnissen gehörigen Gegenständen, kein Hinderniß in der Weg zu legen.

XI. Artikel Eine Commission wird auf den Besitzungen der Geistlichkeit und des Fiscus, das Eigenthumsrecht und die Verpflichtungen der Bauern auf die Art reguliren, welche die zweckmäßigste seyn wird, um das Los dieser letzteren zu verbessern.

XII. Artikel Die freye Stadt Krakau behält für sich und auf ihrem Gebiethe das Privilegium der Posten. Es bleibt jedoch jedem der drey Höfe das Recht vorbehalten, nach Gutbefinden entweder sein eigenes Postamt zur Beförderung der nach, oder aus ihren Staaten gehenden Briefschaften in Krakau zu errichten, oder bey dem Krakauer Postamte einen mit der Aufsicht über diesen Zweig beauftragten Secretär zu bestellen. Was die Expeditions-Auslagen der entweder durchgehenden, oder für das Inland bestimmten Briefe betrifft, wird die im siebenten Artikel angeführte Commission die nöthigen Anordnungen gemeinschaftlich erlassen.

XIII. Artikel Alles, was in der freysen Stadt und dem Gebiethe von Krakau National-Eigenthum des Herzogthums Warschau gewesen ist, soll künftig dieser freyen Stadt als solches angehören. Dieses National-Eigentum wird einen ihrer Finanzfonds bilden, und die Einkünfte davon verwendet werden, um den Unterhalt der Akademie und anderer literarischer Institute zu decken, vorzüglich aber die öffentlichen Erziehungs-Anstalten zu verbessern. Der Ertrag der Schranken- und Brückenzölle ist seiner Natur nach dazu bestimmt, den Unterhalt der Brücken und öffentlichen Straßen sowohl in der freyen Stadt Krakau, als auf deren Gebiethe zu bestreiten. Die Administration wird in Betreff dieses, für Handel und Verkehr so wesentlichen Theils des öffentlichen Dienstes, verantwortlich bleiben.

XIV. Artikel Da die Verwendung der Einkünfte der freyen Stadt Krakau dergestelt festgesetzt ist, daß der von den Administrations-Auslagen erübrigende Theil den in dem vorhergehenden Artikel bemerkten Gegenständen gewidmet werden muß; so kann der Stadt Krakau nicht aufgebürdet werden, zur Bezahlung der Schulden des Herzogthums Warschau beyzutragen. Sie wird aber gegenseitig auch keinen Anspruch auf irgend einen Theil der Vergütungen machen können, welche dem Herzogthume zu Gute kommen dürften. Es wird jedoch den Einwohnern derselben auf jeden Fall frey gestellt, ihre Privat-Forderungen bey der mit dem Abrechnungsgeschäfte beauftragten Commission geltend zu machen.

XV. Artikel Die Akademie zu Krakau wird in ihren Privilegien und im Besitze der ihr gehörigen Gebäude und Bibliothek, so wie desjenigen Eigenthumes bestätiget, welches sie an liegenden Gründen oder versicherten Capitalien besitzt. Es wird den Bewohnern der angränzenden Pohlnischen Provinzen gestattet seyn, diese Akademie zu besuchen und daselbst ihren Studien obzuliegen, sobald besagte Akademie eine den Absichten eines jeden der drey Höfe entsprechende Einrichtung erhalten haben wird.

XVI. Artikel Das Krakauer Bisthum und das Domcapitel dieser freyen Stadt, so wie der gesammte Secular- udn Regular-Clerus sollen aufrecht erhalten werden.

Die Capitalien, Stiftungen, liegenden Güter, Renten oder sonstigen Einkünfte, aus denen ihr Eigenthum besteht, sollen ihnen beybelassen werden. Dem Senate wird jedoch freygestellt, für den Fall, daß die gegenwärtige Verwendung der Einkünfte den Absichten der Stifter, besonders in demjenigen, was die öffentlichen Schulanstalten und die unglückliche Lage des untern Clerus betrifft, nicht entsprechen sollte, in den December-Versammlungen eine von der bisherigen Bestimmung verschiedene in Vorschlag zu bringen. Eine solche Abänderung kann jedoch nicht anders geschehen, als mit Beobachtung derselben Förmlichkeiten, welche zur Annahme eines Staatsgesetzes erforderlich sind.

XVII. Artikel Da die geistliche Gerichtsbarkeit des Krakauer Bisthums sich weder auf das Österreichische noch Preußische Gebieth erstrecken darf, so bleibt die Ernennung dieses Bischofs dießmahl unmittelbar Sr. Majestät dem Kaiser aller Reußen vorbehalten. In der Folge hat das Capitel und der Senat das Recht, jeder zwey Candidaten vorzuschlagen, aus welchen Seine vorbenannte Majestät den neuen Bischof wählen.

XVIII. Artikel Ein Exemplar des gegenwärtigen Tractats, so wie der Constitution, welche einen wesentlichen Theil desselben ausmacht, soll auf eine feyerliche Weise durch die im siebenten Artikel bezeichnete gemischte Commission in das Archiv der freyen Stadt Krakau, als ein immerwährender Beweis der großmüthigen Gesinnungen, welche die drey hohen Mächte zu Gunsten der freyen Stadt Krakau und ihres Gebiethes geleitet haben, nieder gelegt werden.

XIX. Artikel Der gegenwärtige Tractat soll ratificirt, und die Ratificationen sollen binnen sechs Tagen ausgewechselt werden.

    Urkund dessen haben die gegenseitigen Bevollmächtigten denselben unterzeichnet, und ihre Wapen beygedrückt.

    Geschehen zu Wien am dritten May im Jahre der Gnade eintausend achthundert und fünfzehn.

 

Fürst von Metternich.        Graf Rasoumoffsky

Fürst Hardenberg

 

Constitution der freyen Stadt Krakau


Quellen: Politische Gesetzsammlung des Kaisertums Österreich, Jahrgang 1814, S. 221
© 17. September  2009 - 23. September 2009
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