Conventionen zwischen den Höfen von Wien, St. Petersburg und Berlin, in Folge der mit dem Herzogthume Warschau vorgegangenen Veränderung.

Geschlossen zu Wien am 3., ratificirt ebendaselbst am 8., und die Ratifications-Instrumente ausgewechselt am 9. May 1815

 

Seine Majestät der Kaiser von Österreich, Seine Majestät aller Reußen, und Seine Majestät der König von Preußen, beseelt von dem gemeinschaftlichen Wunsche, vermöge eines freundschaftlichen Einverständnisses das Wohl der Pohlen in den neuen Verhältnissen, in welche die mit dem Herzogthume Warschau vorgegangenen Veränderungen sie versetzt haben, durch die zweckmäßigsten Maßregeln zu sichern, und zugleich entschlossen, die Wirksamkeit dieser wohlwollenden Maßregeln auch auf die Provinzen und Districte, welche das alte Königreich Pohlen bildeten, durch jede mit den Zeitumständen vereinbarte liberale Veranstaltung, und durch die vortheilhafteste Bestimmung der wechselseitigen Handels-Verhältnisse der Einwohner dieser Provinzen auszudehnen, sind dahin übereingekommen, zwey von einander abgesonderten Tractate, wovon der eine zwischen Österreich und Rußland, der andere zwischen Rußland und Preußen geschlossen werden soll, abfassen zu lassen, und in dieselben sowohl die den drey Mächten gemeinschaftlichen Verpflichtungen, als die zwischen ihnen verabredeten besondern Stipulationen aufzunehmen. Demnach haben Ihre kaiserl. Majestäten für den Abschluß Ihres Tractates folgende Bevollmächtigte ernannt und zwar:

Seine k. k. apostolische Majestät,
    den Herrn Clemens Wenzel Lothar, Fürsten von Metternich-Winneburg-Ochsenhausen, Ritter des goldenen Vließes, Großkreuz des königl. Ungarischen St. Stephan-Ordens, Ritter des Russischen Orden von St. Andreas, St. Alexander-Newsky und St. Annen-Ordens erster Classe, Großadler der Ehrenlegion, Ritter des Elephanten-Ordens, des hohen Ordens der Annunziata, des schwarzen und rothen Adlers-Ordens; des Seraphinen-, des Toscanischen St. Joseph-, des St. Hubert-, des Würtembergischen goldenen Adler-, des Badenschen Ordens der Treue, des Johanniter-, und mehrerer anderen Orden; Kanzler des militärischen Marien-Theresien-Ordens, Curator der Academie der schönen Künste, St. Majestät des Kaisers von Österreich wirklichen Kämmerer, geheimen Rath, Staats- und Conferenz- und Minister der auswärtigen Geschäfte, dann Bevollmächtigten am Congresse.

Und Seine Majestät der Kaiser aller Reußen, den Herrn Andreas Grafen von Rasoumoffsky, Ihren wirklichen geheimen Rath, Ritter des heiligen Andreas- und Alexander-Newsky-Ordens, Großkreuz des Ordens vom heil. Wladimir erster Classe, und Ihren ersten Bevollmächtigten am Congresse.

Welche nach Auswechslung ihrer, in guter und gehöriger Form befundener Vollmachten nachstehende Artikel abgeschlossen, unterzeichnet und festgesetzt haben:

I. Artikel Seine Majestät der Kaiser aller Reußen überläßt Sr. kaiserl. königl. apostolischen Majestät die durch den Wiener Frieden von 1809 von Ost-Galizien abgetrennten Districte des Zloczower, Brezezaner, Tarnopoler, und Zalesiziker Kreises, und die Gränzen werden von dieser Seite wieder so hergestellt, wie sie vor jenem Tractate bestanden.

II. Artikel Seine kaiserl. königl. apostolische Majestät werden die Salinen von Wieliczka sammt dem dazu gehörigen Gebiethe mit allen Eigenthums- und Souverainitäts-Rechten besitzen.

III. Artikel Der Thalweg der Weichsel wird Galizien von dem Gebiete der freyen Stadt Krakau scheiden. Er soll gleichfalls bis in die Gegend der Stadt Zavichost zur Gränze zwischen Galizien und dem mit den Staaten Sr. Majestät des Kaisers aller Reußen vereinigten Theile des ehemahligen Herzogthumes Warschau dienen.

Von Zavichost bis an den Bug soll die trockene Gränze durch die in dem Wiener Frieden vom Jahre 1809 bezeichneten Linie bestimmt werden, mit Ausnahme jedoch jener Berichtigungen, welche man im gemeinschaftlichen Einverständnisse nothwendig finden wird.

Vom Bug angefangen soll die Gränze zwischen beyden Reichen wieder so hergestellt werden, wie sie vor besagtem Tractate bestand.

IV. Artikel Die Stadt Krakau wird nebst ihrem Gebiethe, so wie es in dem von Österreich, Rußland und Preußen gemeinschaftlich unterzeichneten additionellen Tractate näher bezeichnet ist, für frey und unabhängig erklärt.

V. Artikel Das Herzogthum Warschau, mit Ausnahme der Theile, über welche in den vorstehenden Artikeln und in dem unter heutigem Datum zwischen Sr. Majestät dem Kaiser aller Reußen und Sr. Majestät dem König von Preußen unterzeichneten Tractate anders verfügt ist, wird mit dem Russischen Reiche vereinigt. Es soll mit demselben durch seine Constitution auf eine unwiderrufliche Art verbunden, und für alle künftigen Zeiten im Besitze Sr. Majestät des Kaisers aller Reußen, Seiner Erben und Nachkommen verbleiben. Seine kaiserliche Majestät behalten es sich vor, diesem unter einer abgesonderten Verwaltung stehenden Staate jene innere Ausdehnung zu geben, welche Sie für angemessen erachtet werden. Sie werden ihren übrigen Titeln, jenen eines Czar (Königs) von Pohlen, in der Form, welche für die mit Ihren andern Besitzungen verbundenen Titeln herkömmlich und eingeführt ist, beyfügen.

Die unter der Oberherrschaft der hohen contrahirenden Mächte stehenden Pohlnischen Unterthanen sollen eine Repräsentation und National-Einrichtungen erhalten, die der politischen Existenz angemessen sind, welche jede der drey Regierungen ihnen zuzugestehen für nützlich und schicklich halten wird.

VI. Artikel Die Besitzer liegender Gründe und Einwohner jener Provinzen und Districte, welche in Folge des gegenwärtigen Tractats unter eine neue Oberherrschaft gelangen, sollen, falls sie auswandern wollen, durch sechs Jahre hierzu die volle Freyheit genießen, auch während eben dieses Zeitraumes befugt seyn, über ihr bewegliches und unbewegliches Eigenthum, was immer für einer Art, zu disponiren, es zu verkaufen, und den Betrag entweder in klingender Münze oder andern Geldeswerth ohne Hinderniß oder irgend einen Abzug auszuführen.

VII. Artikel Es soll eine vollständige, sowohl allgemeine als besondere Amnestie zu Gunsten aller Individuen, von welchem Range, Geschlecht oder Stand sie seyn mögen, Statt finden.

VIII. Artikel In Folge des vorstehenden Artikels soll in Zukunft niemand aus dem Grunde einer directen oder indirecten Theilnahme an den politischen, bürgerlichen oder militärischen Ereignissen in Pohlen, in was immer für einen Zeitpunct der Vergangenheit diese fallen mögen, weder belangt, noch auf irgend eine Art in Anspruch genommen werden. Alle dießfälligen Processe, gerichtlichen Belangungen oder Untersuchungen sollen als nicht geschehen betrachtet werden; die Sequester und provisorischen Confiscationen sollen aufgehoben, und überhaupt keiner aus einer ähnlichen Ursache entspringenden Verhandlung Folge gegeben werden.

IX. Artikel Von diesen allgemeinen Verfügungen hinsichtlich der Confiscationen, sind jedoch alle jene Fälle ausgenommen, wo die erlassenen Edicte, oder die in letzter Instanz ausgesprochenen Urtheile bereits gänzlich vollzogen und nicht durch nachfolgende Ereignisse wieder aufgehoben worden wären.

X. Artikel Es werden für die Zukunft Sujets mictes bloß in Rücksicht auf den Besitzstand und das Eigenthum anerkannt.

XI. Artikel Ein jeder, welcher unter mehr als einer Landeshoheit Eigenthum besitzt, soll gehalten seyn, binnen einem Jahre, vom Tage der Ratification des gegenwärtigen Tractates, vor dem zunächst liegenden Stadt-Magistrate, oder aber dem nächsten Kreisamte, oder der nächsten Civil-Behörde des Landes, welches er zu seinem bleibenden Wohnsitze für die Zukunft gewählt hat, diesen seinen Entschluß schriftlich zu erklären. Durch diese Erklärung, welche der betreffende Magistrat oder Behörde an die oberste Landesstelle der Provinz einzusenden hat, wird er für seine Person und seine Familie (mit Ausschluß jeder andern Oberherrschaft) Unterthan des Souverains, in dessen Staaten er seinen Wohnsitz gewählt hat.

XII. Artikel Für Minderjährige oder Personen, welche sich unter Vormundschaft oder Curatel befinden, haben die Vormünder oder Curatoren in dem vorgeschriebenen Termine die nöthigen Erklärungen zu machen.

XIII. Artikel Wenn ein gemischter Eigenthümer unterlassen hätte, binnen des vorgeschriebenen Termines von einem Jahre die Erklärung über seinen bleibenden Wohnsitz abzugeben, so soll er als Unterthan jener Macht angesehen werden, in deren Staaten er zuletzt seinen Wohnsitz gehabt hat, und diese Unterlassen für eine stillschweigende Erklärung gelten.

XIV. Artikel Der gemischte Eigenthümer, welcher sich in Ansehung seines bleibenden Wohnsitzes erkläret hat, behält nichts desto weniger durch acht Jahre, vom Tage der Ratification des gegenwärtigen Tractates die Befugniß, unter eine andere Landeshoheit überzutreten, nachdem er vorläufig eine neue Erklärung darüber abgegeben, und von Seite der Macht, unter deren Oberherrschaft er sich ansässig zu machen gedenkt, die Bewilligung beygebracht haben wird.

XV. Artikel Der gemischte Eigenthümer, welcher die Erklärung über seinen Wohnsitz abgegeben hat, oder von welchem, vermöge der Bestimmungen des dreyzehnten Artikels angenommen wird, daß er sie gemacht habe, ist darum keineswegs verbunden, seine in den Staaten des Souverains, dessen Unterthan er nicht ist, liegenden Besitzungen zu was immer für einer Zeit zu veräußern. Er soll in Ansehung dieser Besitzungen alle mit dem Besitzstande verbundenen Rechte genießen, die Einkünfte derselben in dem Lande, wo er seinen bleibenden Wohnsitz aufgeschlagen hat, verzehren, und frey von aller Abgabe bey der Ausfuhr dahin beziehen; endlich diese Besitzungen verkaufen, und den Erlös, ohne irgend einen Abzug zu erleiden, ausführen können.

XVI. Artikel Die in dem vorstehenden Artikel erwähnte Begünstigung der abzugsfreyen Ausfuhr ist indessen auf jene Güter des gemischten Eigenthümers beschränkt, in deren Besitz derselbe sich zur Zeit der Ratification des gegenwärtigen Vertrages befunden hat.

XVII. Artikel Es findet jedoch besagte Begünstigung auch bey solchen unter einer oder der anderen Landeshoheit liegenden Besitzungen Statt, welche vermöge Erbschaft, Heirath oder Schenkung erworben werden, und deren letzter Besitzer zur Zeit der Ratification des gegenwärtigen Tractates ein gemischter Eigenthümer war.

XVIII. Artikel In dem Falle, wo ein Individuum, welches gegenwärtig nur unter einem der beyden Gouvernements ein Eigenthum besitzt, in dem Gebiethe des anderen vermöge Erbschaft, Legat, Schenkung oder Heirath, Erwerbungen machen sollte, wird dasselbe einem gemischten Eigenthümer gleich gehalten, und verbunden seyn, in der vorgeschriebenen Zeit die Erklärung über den von ihm gewählten bleibenden Wohnsitz abzugeben. Der Termin eines Jahres wird in solchen Fällen von dem Tage an gerechnet, an welchem der legale Beweis der gemachten Erwerbung beygebracht worden ist.

XIX. Artikel Dem gemischten Eigenthümer, oder seinem Bevollmächtigten steht es frey, sich zu jeder Zeit von der einen seiner Besitzungen in die andere zu begeben, und es ist der Wille beyder Höfe, daß in solchen Fällen die Gouverneurs der zunächst liegenden Provinzen auf Ansuchen der Parteyen die erforderlichen Pässe ertheilen. Diese Pässe sollen hinreichend seyn, um von einem Gebithe in das andere überzutreten und gegenseitig respectirt werden.

XX. Artikel Die Eigenthümer, deren Besitzungen durch den Gränzzug durchschnitten sind, sollen hinsichtlich dieser Besitzungen nach den liberalsten Grundsätzen behandelt werden.

Solche gemischte Eigenthümer, ihre Diener und Insassen sollen das Recht haben, sich ohne Rücksicht auf die Verschiedenheit der Landeshoheit mit ihrem Vieh, ihren Acker- und andern geräthschaften von einem Theile der auf solche Art durchschnittenen Besitzung nach dem andern frey hin- und zurück zu begeben, eben so ihre Ernte und Producte, wie auch dei Erzeugnisse ihres Gewerbfleißes ungehindert von dem einen Theile ihrer Besitzung nach dem andern zu bringen, ohne eines Passes zu benöthigen, oder einen Zoll, und sonstige Abgabe irgend einer Art zu entrichten.

Diese Begünstigung ist jedoch auf die natürlichen und industriellen Erzeugnisse, der auf solche Art durch die Gränzlinien durchschnittenen Territorien, beschränkt: sie erstreckt sich auch nur auf Grundstücke, welche einem und demselben Eigenthümer gehören, innerhalb der Entfernung einer Meile (fünfzehn auf den Grad gerechnet) auf einer oder der andern Seite der Gränzlinie gelegen und von dieser durchschnitten sind.

XXI. Artikel Die Unterthanen der einen und der andern der beyden Mächte, nahmentlich die Viehhierten, sollen fernerhin die Rechte, Freyheiten und Privilegien genießen, deren sie sich früher zu erfreuen hatten. Auch soll dem täglichen Gränzverkehr zwischen den Gränzbewohnern kein Hinderniß in den Weg gelegt werden.

XXII. Artikel Die Gerichtsbarkeit des bleibenden Wohnsitzes ist diejenige, welche über alle zwischen Privaten aus dem Besitze solcher durch die Gränzlinie durchschnittener Grundstücke herrührenden Rechtsfragen entscheidet. Die Vollziehung des Urtheils hingegen bleibt den gerichten des gebiethes, in welchem das streitige Eigenthum liegt. Diese Anordnung soll durch zehn Jahre in Kraft bleiben, nach deren Verlauf die beyden Höfe sich vorbehalten, wenn sie es für nothwendig finden, sich über eine andere einzuverstehen.

XXIII. Artikel Die Landeshoheit über die Mühlen, Fabriken und Hammerwerke, welche auf einem die Gränze bildenden Fluß errichtet sind, gebührt jenem Landesherrn, in dessen Gebieth das Dorf oder der Ort gelegen ist, zu welchem eine derley Anlage gehört.

Für den Fall, wo dergleichen Anlagen für sich bestünden, sollen die mit der Gränz-Demarcation beauftragten Commissäre in Bezug auf die Bestimmung der Landeshoheit an Ort und Stelle nach den Regeln der Billigkeit, der Reciprocität und der Local-Verhältnisse das Angemessene verfügen.

Es soll jedoch keine neue Anlage dieser Art, ohne vorläufig gegenseitiges Einvernehmen und Bewilligung beyder Regierungen errichtet werden.

XXIV. Artikel Die Schifffahrt auf allen Flüssen und Canälen in dem Umfange des ehemahligen Königreichs Pohlen (so wie es vor dem Jahre 1772 bestand) soll bis zu ihrer Mündung so wohl Strom auf- als abwärts in der Art frey seyn, daß sie keinem Bewohner der Pohlnischen Provinzen, welche unter Österreichischer oder Russischer Herrschaft stehen, untersagt werden kann. Dieselbe Freyheit des Verkehrs und der Beschiffung ist gegenseitig auf jenen Flüssen und Gewässern zugestanden, welche zwar dermahlen noch nicht schiffbar sind, aber in der Folge schiffbar gemacht, so wie auf den Canälen, welche noch eröffnet werden könnten. Dieselben Grundsätze sollen zu Gunsten der oben erwähnten Unterthanen, in Bezug auf die Benützung der Häfen, wohin sie durch die Beschiffung besagter Flüsse und Canäle gelangen können, ihre Anwendung finden.

XXV. Artikel Die Angaben für die Treppelwege und an den Landungsplätzen sollen auf beyden Ufern gleichförmig sen. Die Schiffer sind indessen gehalten, sich nach den indem Gebiethe in Bezug auf die innere Schifffahrt bestehenden Polizey-Anordnungen zu richten.

XXVI. Artikel Um diese Freyheit der Schifffahrt desto mehr zu sichern, und für die Zukunft jede Beeinträchtigung derselben zu beseitigen, sind die beyden hohen contrahirenden Theile übereingekommen, nur eine einzige Art von Schiffahrtszoll abzunehmen, welcher auf den inneren Raum oder die Ausmaß der Schiffe, oder aber auf das Gewicht ihrer Ladung berechnet seyn wird. Es sollen von beyden Seiten Commissäre ernannt werden, um diesen Zoll festzusetzen, welcher nach einem sehr gemäßigten Anschlage erhoben, und einzig und allein zur Erhaltung der besagten Flüsse und Canäle in schiffbarem Stande verwendet werden soll. So bald dieser Zoll von beyden Höfen genehmiget seyn wird, soll er nicht mehr ohne gemeinschaftliche Übereinkunft abgeändert werden können; das nähmliche gilt von den zur Erhebung desselben zu bestimmenden Zollämtern.

Wenn indessen eine der beyden contrahirenden Mächte auf ihre Kosten die Erbauung eines neuen Canales unternähme, so sollen die Unterthanen Seiner Majestät des Kaisers aller Reußen in keinem Falle einer höheren Beschiffungsabgabe, als jene Seiner Österreichisch-kaiserlichen Majestät unterzogen, und hierüber die vollkommenste Reciprocität beobachtet werden.

XXVII. Artikel Die mit der Ausführung der in den vorstehenden Artikeln festgesetzten Maßregeln zu beauftragenden Commissäre sollen ohne Zeitverlust ernannt, und ihre Vorschläge spätestens in sechs Monathen, vom Tage der Ratification des gegenwärtigen Tractates vollendet, geprüft und bestätiget werden.

XXVIII. Artikel Um die Handelsverhältnisse, besonders auf der Straße von Brody nach Odessa und zurück noch mehr zu beleben, sind die beyden hohen contrahirenden Theile übereingekommen, dem Transito-Handel in allen Theilen des ehemahligen Pohlens die unbeschränkte Freyheit zu gewähren; die davon zu beziehenden Zölle sollen so gemäßigt als möglich, und nicht höher seyn, als sie für den inländischen Kaufmann, oder für den am meisten begünstigten fremden Unterthan bestehen.

XXIX. Artikel In der Absicht, den Ein- und Ausfuhrshandel zwischen den Provinzen, welche das ehemahlige Königreich Pohlen bildeten, zu erleichtern, haben sich die beyden Höfe auch dahin einverstanden, gegenseitig Commissäre zu ernennen, deren Geschäft es seyn wird, die bestehenden Handelsvorschriften und Tariffe zu prüfen, und Vorschläge zu Maßregeln in Ansehung dieses Handels, vorzüglich aber zur Beseitigung aller Mißbräuche und Bedrückungen bey den Mauthen zu entwerfen.

XXX. Artikel Da Seine kaiserl. königl. Apostol. Majestät für den, vermöge der Convention vom 15. (26.) Januar 1797, von Ihnen übernommenen Theil der alten Schulden des Königs und der Republik Pohlen auf Ihre Universal-Staatsschulden-Casse lautende Obligationen ausgestellt haben, welche Ihnen sammt deren rückständigen und laufenden Interessen-Zahlungen fernerhin zur Last fallen, so sind die hohen contrahirenden Theile übereingekommen, daß die Regierung des Herzogthums Warschau den Wiener Hofe dafür, unter Gewährleistung Seiner Majestät des Kaisers aller Reußen als Abfindung einen Aversional-Betrag von vier Millionen Pohlnischen Gulden vergüten soll.

XXXI. Artikel Hingegen verzichten Seine kaiserl. königl. Apostol. Majestät auf alle jene Forderungen, welche sich auf was immer für Anlehen oder Schulden beziehen, die entweder wirklich auf die abgetretenen Gebiethstheile verwiesen, hypothecirt oder vorgemerkt waren, oder es hätten werden können.

XXXII. Artikel Die von der Regierung des Herzogthums Warschau zu Folge des dreyßigsten Artikels zu bezahlende Aversional-Summe von vier Millionen Pohlnischen Gulden, soll von besagter Regierung an den Österreichisch-kaiserl. Staatsschatz in klingender Münze und in acht gleichen jährlichen Raten, eine jede von fünf Mahl Hundert Tausend Pohlnischen Gulden, entrichtet werden. Der erste dieser Termine verfällt am 12. (24.) Junius im Jahr Ein Tausend Achthundert Sechzehn, und der letzte an demselben Tage im Jahr Ein Tausend Achthundert Vier und Zwanzig. Da jedoch die hohen contrahirenden Mächte den gegenwärtigen Stand der Dinge, und die neuen Anstrengungen, welche die Umstände erheischen werden, in Erwägung gezogen haben; so haben sie sich dahin vereiniget, daß für den Fall, wo der Friede in der eben angedeuteten Epoche des Verfalls des ersten Termines nicht hergestellt wäre, die erste Zahlung, und somit verhältnißmäßig auch alle nachfolgenden in der Art verschoben werden sollen, daß besagte erste Zahlung sechs Monathe nach der Ratification des Definitiv-Friedens-Tractates Statt finde.

XXXIII. Artikel Was die neuen Schulden anbelangt, welche seit Errichtung des Herzogthums Warschau entstanden sind, so verpflichten sich Seine kaiserl. königl. Apostol. Majestät zu deren Berichtigung im Verhältniß Eines Neuntheiles beyzutragen. Es ist jedoch dabey verstanden, daß der Wiener Hof auch an den aus der Liquidation hervorgehenden Activ-Forderungen des Herzogthums in demselben Verhältniß Theil haben wird.

XXXIV. Artikel Unmittelbar nach der Unterzeichnung des gegenwärtigen Tractates soll eine Commission ernannt werden, welche sich zu Warschau versammeln, und aus einer hinreichenden Anzahl Commissäre und Beamten bestehen wird, deren Bestimmung dahin geht:
1) Eine genaue Übersicht der Forderungen an auswärtige Regierungen zu verfertigen;
2) Die aus den gegenseitigen Forderungen der hohen contrahirenden Theile herrührenden Abrechnungen zu berichtigen;
3) Die Forderungen der Unterthanen gegen die Regierungen zu liquidiren, und sich überhaupt mit allen auf Fragen dieser Art Bezug habenden Gegenständen zu beschäftigen.

XXXV. Artikel So bald die in vorstehendem Artikel erwähnte Commission in Wirksamkeit getreten seyn wird, soll sie einen Ausschuß ernennen, welcher ohne Verzug die Zurückstellung der von den Unterthanen der contrahirenden Theile geleisteten Cautionen (sie mögen nun in barem Gelde, in Rechtstiteln oder Urkunden bestehen) an die betreffende Regierung zu bewirken hat.

Dasselbe gilt von den gerichtlichen Dispositen, welche von einer Provinz in die andere übertragen worden seyn dürften, und welche an die Gerichtsstellen der Regierung, welche sie betreffen, abgeliefert werden sollen.

XXXVI. Artikel Alle Urkunden, Plane, Karten und Titel, welche sich in den Archiven des einen oder des andern der contrahirenden Theile befinden, sollen gegenseitig an jene Macht, deren Gebieth sie betreffen, abgeliefert werden.

Wenn eine Urkunde dieser Art beyde Theile beträfe, so soll zwar derjenige, welcher sich im Besitz derselben befindet, die Urkunde behalten, jedoch verbunden seyn, dem andern davon eine vidimirte und legalisirte Abschrift mitzutheilen.

XXXVII. Artikel Die Administrations-Acten sollen getheilt, und jeder der contrahirenden Mächte der Theil, welcher ihre Staaten betrifft, ausgeliefert werden.

Die nähmliche Regel wird bey den Hypotheken-Büchern und Acten beobachtet, und in dem durch den obigen Artikel vorgesehenen Falle sollen legalisirte Abschriften gegeben werden.

XXXVIII. Artikel Es soll unverzüglich eine gemischte Militär- und Civil-Commission ernannt werden, um eine genaue Karte über die neue Gränze zu verfertigen, dieselbe topographisch zu beschreiben, die Gränzpfähle aufzurichten, und die hervorspringenden Winkel zu bezeichnen, so, daß in keinem Falle der mindeste Zweifel, Widerspruch oder Anstand entstehen könne, wenn es sich darum handeln wird, ein durch was immer für einen Zufall zerstörtes Gränzzeichen wieder herzustellen.

XXXIX. Artikel Beyde hohen vontrahirenden Theile sind übereingekommen, daß der Contract wegen Ankauf von fünf Mahl Hundert Tausend Centner Salz während eines Zeitraumes von fünf Jahren gegenseitig verbindlich seyn soll, nach deren Verlauf er unter Bedingungen, über welche mach dann übereinkommen wird, erneuert werden kann.

XL. Artikel Sogleich nach erfolgter Ratification des gegenwärtigen Tractates werden die nöthigen befehle an die Commandanten der Truppen und an die betreffenden Behörden erlassen, damit die an Seine Majestät den Kaiser von Österreich zurück fallenden Provinzen geräumt, und an die zu diesem Ende zu bestimmenden Commissäre übergeben werden. Diese Übergabe wird in dem Zeitraume von sechs Wochen, vom Tage der Auswechselung der Ratifications-Urkunden des gegenwärtigen Tractates beendiget seyn.

XLI. Artikel Der gegenwärtige Tractat soll ratificirt, und die Ratificationen binnen sechs Tagen ausgewechselt werden.

    Urkund dessen haben die gegenseitigen Bevollmächtigten dieses Instrument unterzeichnet, und ihre Siegel beygedrückt.

    So geschehen zu Wien am dritten May im Jahre unsers Herrn Ein Tausend Acht Hundert Fünfzehn.

 

Fürst von Metternich.        Graf von Rasoumoffsky

 

Additioneller Tractat


Quellen: Politische Gesetzsammlung des Kaisertums Österreich, Jahrgang 1814, S. 204
© 16. September  2009 - 17. September 2009
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